Bohumil Hrabal

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Bohumil Hrabal 1988, Fotoporträt von Hana Hamplová

Bohumil Hrabal (* 28. März 1914 in Brünn als Bohumil František Kilian; † 3. Februar 1997 in Prag) war ein tschechischer Schriftsteller. Er gilt als einer der bedeutendsten tschechischen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Bohumil Hrabal kam in Brünn als unehelicher Sohn von Marie Kilianová und dem österreichischen Offizier Bohumil Blecha zur Welt.[1] Sein leiblicher Vater war nicht bereit, ihn als Kind anzuerkennen, weshalb er bis zum dritten Lebensjahr bei den Großeltern in Brünn lebte. Als seine Mutter 1916 den Buchhalter der Brauerei in Polná František Hrabal heiratete, nahm dieser Bohumil als seinen Sohn an. Die Familie zog 1919 nach Nymburk an der Elbe, wo Hrabal seine Kindheit und Jugend verbrachte.[2]

Das Aufwachsen in Nymburk verarbeitete Hrabal in verschiedenen seiner literarischen Werke, etwa der Trilogie Das Städtchen am Wasser (Die Schur, Schöntrauer, Harlekins Millionen) und in Das Städtchen, in dem die Zeit stehenblieb.

Hrabal war kein besonders guter Schüler. Sein Interesse galt dem Geschehen in der Brauerei und Josef, genannt Onkel Pepin, dem Bruder seines Stiefvaters František, der „zu Besuch kam und bis zum Tode blieb“. Der Redefluss Onkel Pepins diente Hrabal als Inspiration für seinen charakteristischen literarischen Stil, für den er das Fantasiewort „pábit“ (deutsch „bafeln“) erfand. Ein langer stilisierter Monolog Onkel Pepins findet sich in den Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene.[3]

Hrabal schrieb bereits seit den 1930er Jahren literarische Texte, die zunächst unveröffentlicht blieben. Nach seiner Matura im Jahr 1935 studierte Hrabal an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karls-Universität in Prag. Er besuchte gleichzeitig auch Vorlesungen über Literaturgeschichte, Kunst und Philosophie. Aufgrund der Schließung der tschechischen Hochschulen während der NS-Protektoratszeit konnte er das Studium erst 1946 abschließen. Während des Zweiten Weltkriegs war Hrabal bei der Eisenbahn als Fahrdienstleiter in Kostomlaty nad Labem beschäftigt, was später ebenfalls in seinem Werk Niederschlag fand (Reise nach Sondervorschrift – Zuglauf überwacht). In der Folge war er als Versicherungsagent, Handelsreisender und schließlich ab 1949 als Hilfsarbeiter in einer Stahlhütte tätig. Nach einem schweren Unfall arbeitete er dort von 1953 bis 1959 als Verpacker von Altpapier in einem Rohstofflager. Diese Zeit ist literarisch verarbeitet in einer seiner bekanntesten Erzählungen Allzu laute Einsamkeit sowie im ersten Teil der autobiographischen Romantrilogie Hochzeiten im Hause.[3] 1956 heiratete Hrabal auf Schloss Libeň in Prag Eliška Plevová.

Hrabals Ferienhaus in Kersko

Erste Texte Hrabals erschienen vereinzelt in den 1950er Jahren. Zum Beruf machte er das Schreiben 1963. 1965 kaufte sich Hrabal ein Ferienhaus in Kersko, einer Siedlung in der Gemeinde Hradištko, die zur Inspiration für die Sammlung Schneeglöckchenfeste wurde.

Hrabal 1985, Foto von Hana Hamplová

Zur Zeit der Normalisierung nach der Niederschlagung des Prager Frühlings galt ab dem Jahr 1970 ein Publikationsverbot für Hrabals Werke. Er schrieb daher in Samisdat- oder Exil-Zeitschriften. 1975 veröffentlichte er in der Zeitschrift Tvorba einen selbstkritischen Aufsatz, der es ihm unter teilweise strenger Aufsicht der Zensur ermöglichte, wieder zu publizieren.[3] Eine Reihe seiner Werke wurde vom Verlag Pražská imaginace („Prager Imagination“) herausgegeben, anfänglich ein Samisdat-Verlag. In den Jahren 1991 bis 1997 erschien dort sein gesammeltes Werk in 19 Bänden.

Bohumil Hrabal starb in Prag, nachdem er beim Füttern von Tauben aus dem 5. Stock des Krankenhauses Na Bulovce stürzte, in dem er in Behandlung war. Ob Hrabals Tod ein Suizid oder ein Unfall war, ist nicht endgültig geklärt. Spekulationen über einen Freitod nährte die ungewöhnliche Todesart, die Gemeinsamkeiten mit Szenen aus Hrabals Werk aufweist. In diesem Zusammenhang wird auch auf die drei berühmten Prager Fensterstürze angespielt, Hrabals Tod soll demnach den vierten Prager Fenstersturz darstellen.[3]

Er wurde im Familiengrab auf dem Friedhof in Hradištko u Sadské bestattet. In demselben Grab sind auch seine Mutter „Maryška“, Stiefvater „Francin“, Onkel „Pepin“, Ehefrau „Pipsi“ und Bruder „Slávek“ begraben.

Literarische Einordnung

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Hrabal setzte sich im literarisch produktiven Klima der 1960er-Jahre als eine der prägendsten Gestalten der tschechischen Literatur durch, wobei die wechselnden äußeren Bedingungen der Zensur dazu führten, dass die Publikations- und Wirkungsgeschichte seiner Werke nicht immer parallel zu ihrer Entstehung verlief. Typisch für Hrabals Stil sind die Vermischung verschiedener Sprachebenen, (Selbst-)Ironie, stark stilisierte Autofiktion und zahlreiche intertextuelle Bezüge zu anderen Werken. Hrabal verweigert sich der ideologisch engagierten Literatur und schreibt konsequent apolitisch. Er richtet seinen Fokus auf die alltäglichen Erscheinungen, häufig an der Peripherie der Gesellschaft, mit teils bizarren Figuren und Schauplätzen. Hrabal entwickelte einen eigenen Figurentypus, den redseligen Bafler (pábitel), der durch weitschweifende Monologe und dadurch, wie und wovon er erzählt, seine Weltsicht offenbart.[4]

Laut Karl-Heinz Jähn ist „Hrabal […] ein echt tschechischer Schriftsteller, dessen künstlerische Vorbilder vor allem in der Literatur seiner Heimat zu finden sind, obwohl eine entfernte Verwandtschaft zu Schelmuffsky oder Colas Breugnon spürbar wird.“[5]

Nachleben und Würdigung

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Er erhielt unter anderem folgende Literaturpreise und Auszeichnungen:[6]

Am 1. September 1993 wurde der Asteroid (4112) Hrabal nach ihm benannt.[7]

In Prag-Libeň befindet sich an Hrabals ehemaligem Wohnort der Bohumil-Hrabal-Platz (náměstí Bohumila Hrabala). In Brünn tragen eine Straße und ein Park, in Nymburk eine Straße sowie ein Gymnasium seinen Namen. Neben mehreren weiteren Straßenbenennungen in tschechischen Städten wurde 2010 eine Bohumil-Hrabal-Brücke über die Elbe in Lysá nad Labem benannt.

Das Theaterstück Hrabal und der Mann am Fenster von Bernhard Setzwein erzählt aus der Perspektive des Nachlebens. Die Uraufführung unter der Regie von Mia Constantine fand am 6. Juni 2015 im Theater am Haidplatz in Regensburg statt.

In deutscher Übersetzung

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In tschechischer Sprache

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Hrabal und seine Katzen, Street Art in Prag-Libeň
  • Automat Svět, 1966
  • Bambini di Praga, 1978
  • Barvotisky, 1990
  • Bohumil Hrabal uvádí..., 1967
  • Chcete vidět zlatou Prahu?, 1989
  • Domácí úkoly, 1970
  • Domácí úkoly z pilnosti, 1982
  • Domácí úkoly z poetiky, 1984
  • Dopisy Dubence (4 díly)
  • Harlekýnovy milióny, 1981
  • Hovory lidí, 1956
  • Inzerát na dům, ve kterém už nechci bydlet, 1965
  • Každý den zázrak, 1979
  • Kličky na kapesníku, 1989
  • Kluby poezie, 1981
  • Kopretina, 1965
  • Krásná Poldi, 1990
  • Krasosmutnění, 1979
  • Listopadový uragán, 1990
  • Listování ve stínech grafických listů, 1983
  • Městečko u vody, 1982
  • Městečko, kde se zastavil čas, 1978
  • Morytáty a legendy, 1968
  • Můj svět, 1989
  • Něžný barbar, 1973
  • Obsluhoval jsem anglického krále, 1980
  • Ostře sledované vlaky, 1964
  • Pábitelé, 1964
  • Perlička na dně, 1963
  • Ponorné říčky, 1991
  • Postřižiny, 1976
  • Poupata, 1970
  • Proluky, 1987
  • Příliš hlučná samota, 1980
  • Schizofrenické evangelium, 1990
  • Skřivánek na niti, 1959
  • Slavnosti sněženek, 1978
  • Svatby v domě, 1987
  • Taneční hodiny pro starší a pokročilé, 1964
  • Toto město je ve společné péči obyvatel, 1967
  • Tři novely, 1989
  • Vita nuova, 1986
  • Ztracená ulička, 1948
  • Život bez smokingu, 1986
Drehbuch
  • 1966: Liebe nach Fahrplan (Ostře sledované vlaky)
  • 1969: Lerchen am Faden (Skřivánci na niti)
  • 1980: Kurzgeschnitten (Postřižiny)
  • 1983: Das Wildschwein ist los (Slavnosti sněženek)
Literarische Vorlage
  • Péter Esterházy: Das Buch Hrabals Originaltitel: Hrabal Könyve. Budapest 1990, übersetzt von Zsuzsanna Gahse). Residenz, Salzburg 1991, ISBN 3-7017-0690-5 (Neu durchgesehene Fassung: BvT, Band 32, Berliner Taschenbuch-Verlag, Berlin 2004, ISBN 978-3-8333-0032-5)
  • Alexander Götz: Bilder aus der Tiefe der Zeit. Erinnerung und Selbststilisierung als ästhetische Funktionen im Werk Bohumil Hrabals. In: Heidelberger Publikationen zur Slavistik. B, Literaturwissenschaftliche Reihe, Band 7. Peter Lang, Frankfurt 1998, ISBN 3-631-32840-0
  • Susanna Roth: Laute Einsamkeit und bitteres Glück. Zur poetischen Welt von Bohumil Hrabals Prosa. In: Slavica Helvetica. Band 25. Lang, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-261-03651-6 (Zugleich Dissertation an der Universität Zürich 1984/1985).
  • Susanna Roth (Hrsg.): Hommage à Hrabal. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-518-40166-1. (Texte von Hrabal und über Hrabal)
  • Susanna Roth (Hrsg.): Wer ich bin. In Erinnerung an Hrabal besorgt von Susanna Roth. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-518-40961-1.
  • Monika Zgustová: Im Paradiesgarten der bitteren Früchte, Bohumil Hrabal, Leben und Werk (Originaltitel: V rajské zahradě plodů übersetzt von Johanna Posset). Suhrkamp-Taschenbuch 3258, Frankfurt 2001, ISBN 3-518-39758-3
Commons: Bohumil Hrabal – Sammlung von Bildern und Videos
  • Literatur von und über Bohumil Hrabal im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Bohumil Hrabal. Kurzbiographie. bei Suhrkamp Verlag;
  • Tomáš Odaha: Bohumil Hrabal. In: Česká literatura. 27. Februar 2008; (tschechisch, Hrabal-Biografie, -Bibliographie und -Fotos).
  • Bohumil Hrabal. Společnost Bohumila Hrabala, 1997, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. Dezember 2008; (tschechisch, umfangreiche Materialsammlung der Bohumil-Hrabal-Gesellschaft).
  • Florian Ehrich: Bohumil Hrabal: Das diamantene Auge der Wirklichkeit. Hörfunk-Feature. In: Lange Nacht. Deutschlandfunk, 29. März 2014; (auch Audio, MP3, 171 min.).
  • Život a dílo Bohumila Hrabala. In: Bohumil Hrabal - 103. výročí narození. 2013; (tschechisch, „Leben und Werk von Bohumil Hrabal“. Website aus Anlass dessen 103. Geburtstags.).
  • Bohumil Hrabal bei IMDb

Einzelnachweise

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  1. Štěpánka Tůmová: Hrabal se měl jmenovat Blecha. Biologického otce ale nikdy nepřijal. 28. März 2014, abgerufen am 4. August 2024 (tschechisch).
  2. Ivana Mudrová. Kam značky nevedou III. a další podivuhodné cesty. Praha 2007. ISBN 978-80-7106-891-4. S. 155–158.
  3. a b c d Chiffre meines Schreibens Prager Zeitung am 10. Oktober 2012
  4. Bohumil Hrabal Slovník české literatury po roce 1945, Ústav pro českou literaturu AV ČR
  5. Nachwort zu Der Tod des Herrn Baltisberger, Verlag Volk und Welt, Berlin, 1970, S. 164
  6. Bohumil Hrabal Online-Enzyklopädie der Stadt Brünn
  7. Minor Planet Circ. 22500